Der erste Doppelhaushalt 2022/2023 der Stadt Überlingen ist vorüber – und keiner hat’s bemerkt. Dieselbe Routine, dieselbe Umsetzung, dieselben Probleme wie sonst auch. Aber ohne Aufwand im letzten Jahr und mit verfügbaren Mitteln ab 1. Januar in diesem Jahr. Das ist Bürokratieabbau ganz praktisch.
Dazu gehört auch die inzwischen reibungslose Digitalisierung der Sitzungsunterlagen. Jedes Jahr eine halbe Million Seiten, rund 1,5 Tonnen Papier, die nicht gedruckt werden.
Haushalt 2024/2025
Der Haushalt 2024/2025 ist in den Kernelementen der Daseinsvorsorge solide aufgestellt. Zwei Punkte möchten wir hervorheben:
Bauprojekte und Investitionsmaßnahmen betreffen vor allem die Jugend. Aber die Jugend ist mehr als Bauprojekte. Jugendgemeinderat, Initiativen wie „Meine Hood“ sowie Schulen und Vereine geben wichtige Impulse. Diese Impulse müssen vor lauter Bauen immer noch gehört und aufgenommen werden.
Zum anderen wird das Integrationsmanagement in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen gestellt – praktisch (Bereitstellung von Wohnraum) und gesellschaftlich (fördern und fordern). Auch das bedarf unserer Aufmerksamkeit.
Zum Gesamtkonzern Stadt zählt die Swü, die Stadtbus, Parkhäuser und Therme betreibt und durch Corona-bedingte Ausfälle und Sanierungen erheblich belastet wurde. Das wirkt sich auf den städtischen Haushalt aus: zurückgehaltene Garantiedividende aus SWSee (1,7 Mio. Euro) und Kapitalzuführung von 2,0 Mio. Euro. Umsonst ist nichts, ob auslagert oder nicht.
Zum Gesamtkonzern gehört auch der Spital- und Spendfonds: ein Meilenstein der Spatenstich für das Pflegezentrum letzte Woche. Die treibende Kraft ist der Stadtkämmerer. Ohne ihn stünde der Spital nicht da, wo er jetzt steht.
Klimaschutz
Der Bereich Klimaschutz wird mit großer Zug- und Schlagkraft vom Baubürgermeister vorangebracht. Klimaschutz und Klimaanpassung sind Pflichtaufgaben. Mit dem Klimaschutz-Masterplan (dem „Klima-ISEK“) und dem Klimaschutzkonzept, das letzten Monat beschlossen wurde, liegen Datengrundlage und Fahrplan vor. Die effektive CO2-Emission muss von aktuell 150‘000 t/a auf 8‘000 t/a reduziert werden, spätestens bis zum Jahr 2040.
Das Klimaschutzkonzept legt 10 Top-Maßnahmen fest, unter anderem: Installation von PV-Anlagen (23 % Reduktion), Umsetzung der Wärmeplanung (18 %) und Förderung der E-Mobilität (16 %). Fast nebenbei kann so auch das Prädikat Kneippheilbad gesichert werden. Das ist wichtig für den Kurstandort Überlingen.
Wir begrüßen sehr die Planungen zur Installation von PV-Anlagen auf städtischen Bestandsgebäuden, das ist mittelfristig gut für die CO2-Bilanz und für den Geldbeutel. Allerdings: Die Treibhausgas-Emissionen kommen größtenteils nicht von städtischen Liegenschaften, sondern von privaten Haushalten, dem Verkehr und dem Gewerbe.
Ohne den Einbezug der Bevölkerung ist die beschlossene CO2-Einsparung daher überhaupt nicht zu machen. Eigeninitiative muss massiv gefördert werden, dazu müssen die Stellen für Klima- und Energiemanagement, die das in die Hand nehmen, schnellstmöglich besetzt werden. Und wenn es engagierte Bürgerinitiativen in diesem Bereich gibt, ist es notwendig, sie zu unterstützen und nicht abzuwürgen.
Finanzen und Bauprojekte
In Bezug auf die Baumaßnahmen ist der Haushalt momentan weder wahr noch nachhaltig.
Zur Haushaltswahrheit: Eine Plausibilisierung, dass das Investitionsvolumen umgesetzt werden kann, fehlt. In den kommenden 12 Monaten sollen (unter anderem) der ARB Ost und die Sanierung Torhaus abgeschlossen, der Kindergarten Schättlisberg gebaut, der Kindergartenbau Nesselwangen begonnen, die AU Turmgasse gebaut, die Lagerhalle Füllenwaid gebaut, der Mantelhafen saniert, die Obdachlosenunterkunft Goldbach saniert, Südlich Härlen vollständig und Nesselwangen/Au und Bambergen/Bergle zum Großteil erschlossen werden.
41 Mio. Euro Baumaßnahmen in den kommenden 12 Monaten: Es gibt kein Indiz, dass das personell leistbar ist. Im Gegenteil, gemessen an den letzten Jahren erscheint es völlig unrealistisch. Daher muss, wie von der Verwaltung zugesagt, im ersten Quartal 2024 eine Personal-Kapazitätsplanung vorgelegt werden. Sie muss zeigen, ob und wie das Investitionsprogramm mit dem vorhandenen Personal umgesetzt werden kann. Das dient letztlich auch dem Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor völlig unrealistischen Erwartungen.
Zur Nachhaltigkeit des Haushalts: Große Investitionen in kurzer Zeit lassen sich nur über Kredite finanzieren. Selbstverständlich, die Ausgaben für Schulen dienen folgenden Generationen und sind eine Investition in unsere Zukunft. Aber wieviel neue Schulden genau sind denn akzeptabel?
Eine Antwort gibt das Nachhaltigkeitsergebnis (siehe Vorbericht des Haushaltsplans): Der Zahlungsmittelüberschuss muss mindestens die Abschreibungen und Tilgungen decken. Dann bleibt für kommende Generationen zwar noch kein Spielraum, aber es gibt zumindest keinen strukturellen Werteverlust. In diesem Sinn ist der Haushalt nicht nachhaltig: in 4 der kommenden 5 Jahre ist das Nachhaltigkeitsergebnis negativ, und zwar deutlich. Auch nach 2028 sieht es nicht besser aus angesichts drastisch steigender Abschreibungen. Deshalb muss bis zum nächsten Doppelhaushalt das Investitionsvolumen reduziert werden.
Weitere Umsetzung
So gesehen zeigt der vorgelegte Plan dann doch einen Lösungsweg: Für Feuerwehr Stadtmitte, Wiestorcampus und Gymnasium werden in den kommenden 2 Jahren ausschließlich Planungen vorgenommen: es ist die Chance, diese Projekte (momentanes Bauvolumen 120 Mio. Euro) so zu konkretisieren und auf ein finanzielles Maß zu reduzieren, dass die Nachhaltigkeit des Haushalts sichergestellt und ihre personelle Umsetzung plausibel wird. Erst dann, und nur dann, können diese Projekte verbindlich werden. Oder, um den Vorbericht zu zitieren: Die momentane mittelfristige Finanzplanung ist „kein Freifahrtschein zur Projektrealisierung“.
Die Baukosten müssen reduziert werden. 1 Mio. Euro zusätzliche Gebäudekosten gehen nur über Kredit und bedeuten 1 Mio. Euro zusätzliche Zinslast (4 %, 40 Jahre). Dazu kommen 1 Mio. Euro Abschreibungslast und erhöhte Unterhaltslast. An keiner Stelle kann so viel gespart werden wie in der jetzigen Leistungsphase.
Die Kapazitätsplanung muss her. Projektpläne und Quartalsberichte müssen als Steuerungsinstrument genutzt und nicht nur zur Kenntnis genommen werden; kritische Fragen und unkonventionelle Ideen müssen erörtert und nicht beiseite geschoben werden. Mit allen Registern: Die Baukosten müssen reduziert werden.
Der vorliegende Haushaltsplan verschiebt die verbindliche Umsetzung der Großprojekte Wiestorcampus, Gymnasium und Feuerwehr Stadtmitte auf den nächsten Doppelhaushalt. Er gibt die Chance, diese Projekte so zu entwickeln, dass sie mit dem nächsten Doppelhaushalt umsetzbar und verlässlich werden. Der Haushaltsplan 2024/2025 ist ein erster Schritt; alles andere vorerst nur ein Versprechen.