Die Tragödie des Flüchtlingslagers Moria erschüttert uns zutiefst, ebenso die bisherige Unfähigkeit der Europäischen Union, sich hier auf eine gemeinsame Lösung zu einigen. Wir haben in den letzten Tagen geprüft, was Überlingen denn konkret tun kann, unabhängig von allen Aspekten der formalen Zuständigkeit und gesamteuropäischer Strategien. Und so ganz außen vor ist die Stadt Überlingen nicht, immerhin appelliert der Deutsche Städtetag zur Aufnahme von Geflüchteten aus Moria mit dem Hinweis, dass viele Städte dazu bereit seien.
Die Aufnahme von Geflüchteten erfordert zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten. Überlingen ist aktuell mit der Unterbringung von rund 30 Geflüchteten, die uns vom Landkreis zugewiesen wurden, im Rückstand. Die derzeit verfügbaren Unterkünfte (sowohl die städtischen Unterkünfte als auch die von der Stadt angemieteten privaten Wohnungen) sind belegt. Im Rahmen der Corona-bedingten Haushaltssperre steht für dieses Jahr kein Budget für neue Anmietungen zur Verfügung.
Kann die Stadt dennoch zusätzliche Plätze anbieten? Sicher. Bedingung ist, dass sie geschaffen und finanziert werden, eventuell kommen Auflagen hinzu. Eine Zusage von uns an das Land, Geflüchtete aus Moria aufzunehmen, muss also entweder mit einer Zusage des Landes an uns zur Kostenübernahme einhergehen, oder wir müssen Ausgabenposten im aktuellen, Corona-bedingt stark reduzierten Haushalt 2020 noch weiter reduzieren. Im Prinzip geht das, aber die Bevölkerung muss auch bereit sein, das mitzutragen. Alternativ wäre auch eine indirekte Finanzierung über private Spenden möglich. Gleichzeitig müssten umgehend Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen oder angemietet werden.
Verbindliche, konkrete Hilfe anzubieten wäre aus unserer Sicht möglich und wir sind dazu bereit. Sie hat aber einen Preis, bei dem die große Mehrheit der Überlingerinnen und Überlinger wirklich mitgehen müsste. Ob es diese tatkräftige Mehrheit gibt, wissen wir nicht, würden es aber gerne herausfinden.
Zudem gibt es in Überlingen das Problem, daß wir vom Landkreis zunehmend Geflüchtete ohne Aufenthaltstitel zugewiesen bekommen, inzwischen sind es bereits mehrere Dutzend. Sie haben kein Bleiberecht und keinerlei Perspektive, werden aufgrund laufender Gerichtsverfahren aber auch noch nicht ausgewiesen und nach 24 Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft vom Landkreis an uns delegiert. Diese große Zahl von Geflüchteten ohne jede Bleibeperspektive stellt die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Helfer vor eine fast unlösbare Herausforderung. Es wäre erheblich sinnvoller, sie bis zum Abschluß des Verfahrens in der Gemeinschaftsunterkunft zu belassen. Hierfür wäre eine gesetzliche Regelung dringend erforderlich. Sie würde zudem die Aufnahmemöglichkeiten in Überlingen für diejenigen erhöhen, die eine klare und berechtigte Perspektive für ein Leben und eine Integration bei uns haben. Dafür sollten wir uns alle dringend einsetzen.
P.S. Abgesehen von der Situation in Moria wird die Stadt auch zukünftig zusätzliche Wohnungen für Geflüchtete benötigen, vom Landkreis werden 2021 voraussichtlich 70 weitere Geflüchtete zugewiesen. Daher sind faire Angebote von privater Seite jederzeit willkommen und können an das Sachgebiet für Integration der Stadt gerichtet werden (e.dachauer@ueberlingen.de, j.negrassus@ueberlingen.de, Tel. 07551 99-1228).