Bei einer Reihe von städtebaulichen Projekten entstanden in den letzten Monaten viel Unmut und Reibung – zwischen Verwaltungsspitze, Gemeinderat, Fraktionen, Bauträgern und Bürgerschaft, beispielsweise hinsichtlich Erhalt der Druckleitung, Neubau Volksbank, Neubau Laserklinik, Bebauungsplan Fischerhäuservorstadt, Dorfgemeinschaftshaus Deisendorf und Hotelprojekt Schlachthausstraße. Unserer Bewertung nach sind dafür zwei Gründe wesentlich:
Zum einen fehlt ein hinreichend ausgearbeitetes Leitbild für die Stadtentwicklung bzw. das jeweilige städtebauliche Gesamtkonzept, in welches ein konkretes Einzelprojekt dann eingebettet werden kann (Beispiele Volksbank, Laserklinik, Hotelprojekt). Da das Einzelprojekt oft eine schnellere Umsetzung verlangt, als der dazugehörige Rahmenplan entwickelt werden kann, ist so ein Konflikt nicht immer zu vermeiden. Gerade dann muss jedoch ein besonderes Augenmerk auf den Gesamtzusammenhang gelegt werden. Dessen nur beiläufige Betrachtung oder der wiederholte Verweis auf das in weiten Teilen vage Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) sind nicht ausreichend.
Zum anderen wird seitens der Verwaltung häufig unterschätzt, wie wichtig die rechtzeitige Beteiligung der Bürgerschaft und der ganz konkret von einer Maßnahme Betroffenen ist (jüngste Beispiele: Druckleitung, Deisendorf, Fischerhäuservorstadt). Wichtig ist ein fachlich moderierter Dialog zur konstruktiven Mitgestaltung, der kontroverse Ansichten aushält, anstatt dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, sie erhalte kaum eine Chance, sich in den Prozess einzubringen. Ein Verweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeits- und Bürgerbeteiligungspflicht nützt da nichts, oft braucht es mehr als dieses Mindestmaß.
Unterschätzt die Verwaltung die Notwendigkeit dieser Prozesse, dann ist ihr Missmut verständlich, wenn nachträglich mehr Zeit- und Arbeitsaufwand erforderlich sind als ursprünglich eingeplant. Das kann vermieden werden, wenn rechtzeitig und proaktiv Betroffene und Bürgerschaft beteiligt werden.
In einer Pressemitteilung des Landes Baden-Württemberg vom 10.11.2020 zur Bürgerbeteiligung bei der Planung und Durchführung von Infrastrukturvorhaben sagt Staatsrätin Gisela Erler: „Die bisherigen Erfahrungen zeigen dabei: Je früher mit der konsequenten Einbindung der Zivilgesellschaft in einen Planungsprozess begonnen wird, desto bessere Wirkungen werden erzielt. Frühe Bürgerbeteiligung ist der beste Weg, um den komplexen Fragen in unserer Gesellschaft auf breiter Basis zu begegnen.“
Es geht letztlich darum, aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Und wir sind davon überzeugt, dass dann die Arbeit der Verwaltungsspitze, der Fachabteilungen und des Gemeinderates eine größere Würdigung durch die Überlingerinnen und Überlinger erfahren wird, als es im Moment der Fall ist.