Die COVID-19-Pandemie, die in ihrer Vehemenz und Konsequenz nicht vorhergesehen wurde, hat kaum fassbar viele Menschen weltweit in Mitleidenschaft gezogen und Hunderttausende von Todesopfern gefordert. Glücklicherweise ist der Bodenseekreis – jedenfalls bislang – von hohen Erkrankungs- und Todeszahlen verschont geblieben. Und doch hat diese Pandemie unmittelbare und erhebliche Folgen auch für unsere eigene Stadtgesellschaft gehabt: Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, Gottesdienste waren nicht möglich, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mussten Kurzarbeit akzeptieren, Behörden und Verwaltungen waren nur eingeschränkt erreichbar, nur wenige Geschäfte konnten geöffnet bleiben, Hotels und Gaststätten waren nicht oder nur rudimentär geöffnet und Arztpraxen und Krankenhäuser arbeiteten im Notbetrieb. Darüber hinaus mussten liebgewordene Veranstaltungen verschoben, abgeändert oder gar abgesagt werden, z.B. das Promenadenfest, die Schwedenprozessionen und nicht zuletzt die Landesgartenschau.
Vielfach – und insbesondere in den ersten Wochen der Pandemie – mussten Entscheidungsträger in Regierungen, Verwaltungen und Behörden, aber auch in Gesundheitseinrichtungen unter Zeitdruck agieren, oder besser: reagieren. Die für ihre Entscheidungen und Maßnahmen eigentlich notwendigen Informationen standen ihnen regelhaft nur sehr eingeschränkt oder noch gar nicht zur Verfügung.
Vorrang wurde zunächst dem Schutz der Gesundheit aller Bürger eingeräumt. Andere Grundrechte sind nicht etwa einem politischen Komplott zum Opfer gefallen, sie wurden vielmehr dem Gesundheitsschutz zeitweilig nachgeordnet. Selbstverständlich können alle pandemiebedingten Einschränkungen auf ihre Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft werden, sowohl im demokratischen Meinungswettstreit als auch im streng juristischen Sinn. Aber dies bleiben vielfach Betrachtungen im Nachhinein, die sich auf einen Wissensumfang stützen können, der nicht zur Verfügung stand, als die Entscheidungen getroffen werden mussten. Wir begrüßen, dass im Zuge der Lockerung des „Shutdowns“ Menschen für die Ausübung demokratischer Rechte einstehen, z.B. auf der Hofstatt oder auf dem Landungsplatz. Wir halten es allerdings für bedenklich, wenn solche Veranstaltungen zur Verbreitung von Verschwörungstheorien und Quacksalberei missbraucht werden oder wenn notwendige Sicherheitsauflagen grob missachtet werden.
Die Folgen der COVID-19-Pandemie sind im Moment sicher noch nicht in vollem Umfang absehbar, geschweige denn überwunden – weder persönlich oder familiär noch gesamtgesellschaftlich oder auf kommunaler Ebene. Insbesondere auf stadtpolitischer Ebene waren viele Änderungen notwendig, z.B. Zweischichtenbetrieb in der Verwaltung, Gemeinderatssitzungen im Stil eines Frontalunterrichts oder das Aussetzen öffentlicher Fraktionssitzungen. Hinzu kommen die pandemiebedingten wirtschaftlichen Einnahme- und Erlösverluste mit der Folge, dass die Haushaltsplanungen für dieses und die kommenden Jahre erheblich angepasst werden müssen. Alle Stadträtinnen und Stadträte müssen sehr sorgfältig prüfen und abwägen, welche Leistungen und Projekte und die damit verbundenen Ausgaben sich die Stadt leisten muss, will und kann.
In den vergangenen Monaten hat die Stadtgesellschaft zugleich auch nachhaltig solidarisch gehandelt. Zum Beispiel half der Jugendgemeinderat tatkräftig bei der Milderung der Pandemiefolgen, das Pfarrzentrum wurde ohne viel Aufhebens für Gemeinderatsitzungen zur Verfügung gestellt und die Kindergarten- und Musikschulbeträge wurden für bestimmte Zeit erlassen. Viele klimabelastende Reisen konnten unterbleiben, weil entsprechende Zusammenkünfte auch elektronisch durchgeführt werden konnten. Schließlich waren in der Innenstadt auf einmal wieder Vogelstimmen deutlich wahrnehmbar und Menschen konnten mitten auf Straßen und Plätzen ungestört von Verkehrslärm miteinander ins Gespräch kommen.
Individuell gibt es für die Lockerung des „Shutdowns“ sicher sehr unterschiedliche Erfordernisse und Bedürfnisse. Ein einfaches „Weiter so!“ genau wie vor der Pandemie wird aber für viele kaum möglich sein. Wir wünschen Ihnen allen gutes Gelingen bei der Etablierung einer „neuen Normalität“ – und erst einmal eine möglichst erholsame und hoffnungsvolle Sommerzeit.